Strukturelle Vorsorgemaßnahmen

Anbieter von Online-Plattformen wie Social-Media-Dienste sind gesetzlich dazu verpflichtet, besondere Schutzvorkehrungen durch Einrichtung struktureller Vorsorgemaßnahmen für Kinder und Jugendliche innerhalb ihrer Dienste zu treffen. Die Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD) überprüft Online-Plattformen nach den Vorschriften des Digital Services Act (DSA) mit Sitz primär in Deutschland und beurteilt, ob in den digitalen Angeboten angemessene und wirksame strukturelle Vorsorgemaßnahmen vorgehalten werden.

Die Überprüfung durch die KidD gliedert sich in die Bereiche der Risikobewertung und Risikobegegnung.

Risikobegegnung

Stellt die KidD im Rahmen der Risikobewertung fest, dass ein Anbieter einer für Kinder und Jugendliche zugänglichen Online-Plattform keine oder nur unzureichende strukturelle Vorsorgemaßnahmen zur Risikobegegnung getroffen hat, wird sie als Aufsichtsstelle tätig.

Strukturelle Vorsorgemaßnahmen auf Online-Plattformen zielen auf einen wirksamen Schutz von Kindern und Jugendlichen insbesondere vor Gefahren bei der Interaktion mit anderen Personen ab. Außerdem sollen sie ihnen einen wirksamen Schutz vor potenziell schädigenden oder unangemessenen Inhalten bieten oder auch persönlichen Integritätsverletzungen vorbeugen. Strukturelle Vorsorgemaßnamen stellen sicher, dass Plattformanbieter bereits bei der Ausgestaltung ihrer Angebote Risiken für Kinder und Jugendliche mitdenken und diesen durch den Einsatz verschiedener technischer und struktureller Instrumente von Beginn an systematisch begegnen.

Vorsorgemaßnahmen können unter anderem sein:

  • Melde- und Abhilfeverfahren, über welche Kinder und Jugendliche zum Beispiel Belästigungen leicht melden können. Ziel ist es, dass schädigende Handlungen nicht unentdeckt bleiben und aktiv gegen Mobbing, sexuelle Übergriffe oder Hassrede vorzugehen.
  • Sichere Voreinstellungen, die unter anderem gewährleisten, dass Kinder und Jugendliche mit ihren Profilen nicht mehr leicht aufgefunden bzw. durch fremde Dritte angesprochen werden können.
  • Anbieterunabhängige Hilfe- und Meldestellen, die im Bedarfsfall schnelle und professionelle Unterstützung bieten.
  • Bereitstellung technischer Mittel zur Altersverifikation für nutzergenerierte audiovisuelle Inhalte, für die Verwirklichung eines altersgerechten Zugangs.
  • Instrumente zur Begleitung des Angebots durch Eltern und sonstige personensorgeberechtigte Personen, um ihnen im Rahmen ihrer Fürsorge Steuerungsmöglichkeiten über die Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen zur Verfügung zu stellen.

Die Auflistung ist nicht abschließend und es können eine Vielzahl anderer Vorsorgemaßnahmen hinzutreten, die je nach Einzelfall und Ausgestaltung der jeweiligen Online-Plattform zu treffen sind.  

Kriterien der KidD zur Überprüfung der Angemessenheit und Wirksamkeit anbieterseitiger struktureller Vorsorgemaßnahmen nach  § 24a Jugendschutzgesetz

Die Prüfkriterien der KidD geben entsprechenden Anbietern von für Kinder und Jugendliche zugänglichen Online-Plattformen nach den Bestimmungen des DSA mit Sitz primär in Deutschland Orientierung, welchen Risiken mit geeigneten strukturellen Vorsorgemaßnahmen zu begegnen ist. Die Ausführungen konkretisieren, welche Kriterien die KidD im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit und Wirksamkeit anbieterseitiger Vorsorgemaßnahmen anlegt. Darüber hinaus wird weiteren für Kinder- und Jugendmedienschutz verantwortlichen Akteurinnen und Akteuren sowie der allgemeinen Öffentlichkeit ein Einblick in die Verfahren der KidD ermöglicht.

Prüfkriterien der Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten gemäß § 24a Jugendschutzgesetz als PDF (nicht barrierefrei). 

Examination criteria of the Federal Office for the Enforcement of Children's Rights in Digital Services persuant to section 24a of the Youth Protection Act (coming soon).

Ablauf des Aufsichtsverfahrens

Die Einzelheiten des Aufsichtsverfahrens der KidD zur Überprüfung der Umsetzung, der konkreten Ausgestaltung und der Angemessenheit der von den Online-Plattformen vorzuhaltenden strukturellen Vorsorgemaßnahmen sind in § 24b Jugendschutzgesetz (JuSchG) geregelt.

Die Verfahrenseinleitung ist über zwei Wege möglich:

  1. Die KidD stößt im Rahmen ihrer Marktaufsicht selbst auf die zu regulierenden Anbieter von Online-Plattformen.
  2. Dritte melden Verstöße seitens der Anbieter von Online-Plattformen.

Die KidD entscheidet auf Basis einer ersten Vorsichtung und Risikobewertung der jeweiligen Online-Plattform über die Durchführung einer weiteren Überprüfung. Entscheidet sich die KidD daraufhin für die weitere Überprüfung der Online-Plattform, holt sie von dem gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendmedienschutz im Internet jugendschutz.net eine erste Einschätzungen zu den von dem jeweiligen Plattformanbieter getroffenen strukturellen Vorsorgemaßnahmen ein. Die KidD berücksichtigt außerdem eine weitere einzuholende Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), der zentralen Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz.
Auf Grundlage dieser Einschätzungen beurteilt die KidD, ob der Anbieter der Online-Plattform keine oder unzureichende strukturelle Vorsorgemaßnahmen getroffen hat. Diese Einschätzung teilt sie dem Plattformanbieter mit und gibt ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Sollte die Stellungnahme des Plattformanbieters in der Folge nicht zu einer Abhilfe, also der anschließenden Umsetzung oder Verbesserung von strukturellen Vorsorgemaßnahmen auf der Plattform führen, folgt eine Anbieterberatung. Die KidD berät den jeweiligen Anbieter der Online-Plattform über die erforderlichen strukturellen Vorsorgemaßnahmen, um den Risiken auf der Plattform wirksam zu begegnen. Das Angebot zur Beratung ist freiwillig. Plattformanbietern wird die die Wahrnehmung des Beratungsangebotes durch die KidD jedoch empfohlen und bietet ihnen die Möglichkeit, die erforderlichen Maßnahmen in einem vertraulichen und dialogischen Rahmen gemeinsam zu erörtern. Typischerweise wird das Aufsichtsverfahren mit dem Abschluss der Beratung und der Umsetzung oder Verbesserung der noch zu treffenden strukturellen Vorsorgemaßnahmen enden.

Ein anderer Verfahrensverlauf ist dann geboten, wenn der Plattformanbieter nach seiner Stellungnahme oder nach erfolgter Beratung die seitens der KidD für zwingend geboten erachteten Maßnahmen nicht umsetzt. In diesem Fall fordert die KidD den Plattformanbieter unter angemessener Fristsetzung zur Abhilfe auf. Soweit auch dieser Aufforderung nicht oder nicht fristgerecht entsprochen wird, kann die KidD die erforderlichen Maßnahmen unter erneuter angemessener Fristsetzung selbst anordnen. Zuvor gibt sie der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), der zentralen Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz, erneut Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Zuwiderhandlung, also die Nichtbeachtung der vollziehbaren Anordnung von strukturellen Vorsorgemaßnahmen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, welche mit empfindlichen Geldbußen bedroht ist. Das bedeutet: Verweigert ein Plattformanbieter die Umsetzung oder Nachbesserung, setzt die KidD mit Anordnungen und im Zweifel auch mit Bußgeldern eine wirksame Risikobegegnung durch.